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interirdisch, fabrik.transit, Edition für Literatur und Kunst, 2023. Gedichte und 12 farbige Fotoarbeiten von Elisa Asenbaum, wissenschaftsgeschichtliche Einschübe von Harald Hofer und einem Vorwort von Herbert J. Wimmer

Der Band interirdisch verschiebt und verschränkt literarische, wissenschaftliche und bildnerische Ebenen und Zeiten, Irdisches und Kosmisches. Der Titel des Buches verweist auf den stetigen Wandlungsprozess, den der Kosmos und die Materie – die Erde, Pflanzen, Tier und Mensch – durchlaufen. Lyrische Momentaufnahmen spiegeln Gedanken zu Seinsformen verschiedener Art und deren Ausformungen bis hin zu menschlichem Denken und Grenzsetzungen.

INTERIRDISCH sagt, was es ist: ich bin von dieser welt und befinde mich im ZWISCHEN, im stadium des zwischenseins, da wie dort, hier und jetzt, mitten im buch, zwischen den beiden buchdeckeln, zwischen denen alles stattfinden kann, alles stattfinden darf, was text und bild ist, in allen kombinationen, kompositionen, folgen, fugen, brüchen, schönheiten und fragen, fragen philosophischer, poetischer, künstlerischer und existenzieller art.
herbert j. wimmer

Erscheinungsdatum: März 2023


Rezensionen zum multimedialen Band interirdisch

Nils Jensen - Buchkultur: Frei sein
Helmuth Schönauer: interirdisch
Klaus Ebner – poesiegalerie: Alles was dazwischen liegt

Auszug:

Ein_fall

Ominös im Puls
atmet das vergangene Geschehen
zugefallen dem Masselicht
der Ball

Verdichtet rollt
der rotierende Materiewall
rundgeklummt im All
frei der Fall

Vorfall
denn Zufall meint
eine zweite Klasse des Denkens


Grundlos wie bodenlos
planlos losgelöst
die Zukunft rennt los?
Hoffentlich nicht zugefallen:
Zufall

Aufgefallen:
the chance/the choice/the coincidence
linientreu/schwerelos/kräftefrei
Vorfall/Einfall/freier Fall

Elisa Asenbaum © Fotoarbeit interirdisch XII

Freier Fall – Zufall

„Nichts geschieht um nichts, sondern alles aus einem Grunde und mit Notwendigkeit.“*
Dieser Grundsatz kann als allgemeines Kausalgesetz verstanden werden, welches allen Geschehnissen in der Natur ihre Zufälligkeit abspricht. Es wurde von den Vorsokratikern Leukipp und Demokrit in die antike Philosophie eingeführt. Diese Auffassung wird aus heutiger Sicht als damalige Gegenwehr gegen den zu jener Zeit verbreiteten Glauben, die Götter würden immerzu in das Weltgeschehen eingreifen, oder gegen andere mystische Denkweisen verstanden.
Etwa hundert Jahre später beklagte Aristoteles wiederholt, dass Demokrit die causa finalis, die Zweckursache, die auf ein bestimmtes Ziel im Werden gerichtet ist, völlig außer Acht lässt und alles ausschließlich auf die Wirkursachen zurückführt.
Ein mechanistischer Determinismus setzte sich im Laufe der Zeit in der klassischen Physik durch. Mithilfe der Naturgesetze des 19. Jahrhunderts folgerte man, bei bekannten Anfangs- und Randbedingungen sowohl Zukunft als auch Vergangenheit vollkommen bestimmen zu können.
Im 20. Jahrhundert wurde aus verschiedenen Richtungen der mechanistische Determinismus in der Natur nach und nach stark angezweifelt. Vor allem mit der Entdeckung der Quantenmechanik geht man in den Interpretationen überwiegend von einem Zufall in der Entwicklung des Naturgeschehens aus. Der Zeitpunkt des Zerfalls eines Uranatoms etwa wird dabei meist sowohl als grundlos wie auch als ohne Notwendigkeit geschehend betrachtet.
Ob diese Auffassung bereits endgültig ist oder ob zwischen diesen beiden extremen Positionen – dem Determinismus und dem reinen Zufall – weitere Konzepte entstehen werden, wird die Zukunft zeigen.

Harald Hofer

*Aus: Bertrand Russell: Philosophie des Abendlandes. Zürich: Europa-Verlag, 2007.